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DIE LIEBE EINER MUTTER

Wie jeden Morgen seit Monaten ...

... hatte ich am Aufbau der Straßenklinik mitgewirkt. Wir entrollten Kunststoffe, auf denen wenig später Hunderte von Patienten Schlange standen, um kostenlos versorgt zu werden. Monatelang hatte ich unermüdlich Wattebäusche gerollt, Decken gehalten, um bei der intimen Pflege ein Minimum an Privatsphäre zu schaffen. Regelmäßig begleitete ich Patienten zu den Privatkliniken, mit denen Jack Vereinbarungen getroffen hatte. Ich nahm alle Aufgaben mit größter Ernsthaftigkeit an, erfüllt von dem Gefühl, dass meine Rolle in dieser Menschenkette wichtig ist. Jack kam immer zuerst und ging nach allen anderen, diese unerlaubte Klinik musste jeden Abend aufgeräumt, gefegt, ja vernichtet werden.

Die Tage sind lang und heiß. Nach und nach fing ich an, Wunden zu behandeln. Auf den Knien oder auf einer Blechdose sitzend fand ich mich inmitten eines endlosen Stroms von Patienten wieder, die wir behandeln mussten. Trotz der mehr als dürftigen Verhältnisse wäre niemand auf die Idee gekommen, sich zu beschweren. Wir hatten es mit Patienten zu tun, die stunden- und tagelang mit Schmerzen auf  eine Behandlung warteten, die sie angesichts ihres elenden Status anderswo nicht hätten bekommen können.

In meinem Rucksack, in ein Frotteetuch eingerollt, hatte ich meine Kamera. Manchmal, während des Tages, nahm ich sie heraus und hielt dann diese Momente fest ...

Ein paar Erinnerungen an Kalkutta 

Von 1987 bis heute habe ich nie aufgehört, die Stadt Kalkutta festzuhalten. Mich, der ich kein großer Wanderer bin, hat das Ziel, dieser unglaublichen und verwirrenden Stadt wirklich zu begegnen dazu gebracht, sie dutzende Male mit der Kamera in der Hand zu durchqueren. Ja, ich kenne sie. Aber können wir sie kennen? So übertrieben, so rebellisch, so explodierend? Zu allen Stunden des Tages und der Nacht habe ich auf ihre Schwingungen des Lebens und des Todes gehört. Ich kletterte auf die Spitze der Howrah's Bridge (welche es verboten ist zu fotografieren), um ihre danteske Struktur zu verewigen. Ich ging durch die Stadt im Schatten der leprösen Bettler auf Ihrem Weg des Flehens. Ich rauchte das Chilium am Ufer des Ganges, um von den Sadhus auf ihrer Reise zum Ende der Reinkarnation akzeptiert zu werden. Ich setzte mich ins Wohnzimmer von Herrn BK Birla, Besitzer unter anderem der Ambassador-Werke, um die letzten Pulsationen des legendären Autos zu verstehen. Bin ich mit 160.000 Fotos der Stadt und ihrer Bewohner, ohne es zu merken, zur fotografischen Erinnerung geworden? Hätte ich London oder New York mit der gleichen Intensität fotografiert, wäre es mir zweifellos gelungen, meine Arbeit stärker bekannt zu machen. Bei Kalkutta, der Prinzessin in Lumpen, schaffe ich es gerade noch, ein fotografisches Zeugnis festzuhalten. Aber für mich bleibt sie, als klebte sie an meiner Haut. Sie ist ein Stück meines Schicksals.

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